Wenn ich an meine Schulzeit denke, dann würde Glück und Lernen ein Widerspruch in sich sein.
Lernen war für mich lange Zeit etwas, das sich ausschließlich auf Sachen bezog, die ich in der Schule vorgegeben bekam und nichts, was frei zu entscheiden war.
Ich konnte Glück nicht mit Lernen in Verbindung oder gar in Einklang bringen.
Glück. Was bedeutet Glück für mich? Um es kurz zu halten: Es beschreibt für mich das Gefühl innerer Freiheit, einer Leichtigkeit und unglaublich viel Energie. Glück ist Sonnenschein im ganzen Körper und tanzende Energiekugeln in mir und um mich herum.
Glück und Lernen gehören zusammen
Als ich ein Praktikum in einer Freien Schule gemacht habe, habe ich Schule komplett neu, komplett anders kennen gelernt. Alles war voller Leben und Energie, neuen Ideen, Spiel und jede Menge Kinderlachen – so richtig echtes, freies Lachen. Und Akzeptanz. Es war ein Miteinander. Jeden Tag merkte ich, dass ich neue Erkenntnisse in mir trug und ich lernte jeden Moment etwas Neues – mal über eine Sache, mal über die Kinder oder über mich, manchmal über allgemeine Grundlagen in einem so anders gestalteten System. Und all das geschah einfach so mit Freude, Spaß und mitten im Leben – das war für mich Glück, pures Glück.
Glück und Lernen dürfen nicht voneinander getrennt sein. Wenn ich glücklich bin, lerne ich nachhaltig und mit meinem ganzen Herzen. Glück sollte nicht losgelöst vom Lernen sein. Denn was ich mit einem Glücks-Gefühl lerne, währt ewig und lässt mich wachsen. Ich kann erst echtes Lernen vollziehen, wenn ich im Moment des Lernens glücklich bin. Oder mich das Gelernte langfristig glücklich macht. Ich rede von Glück, das mein Leben beeinflusst und nicht nur das Glück, wenn ich Schokolade gegessen habe. Das legt meinen Grundbaustein für langfristiges Lernen.
Durch die Kinder habe ich vieles lernen können, weil ich in dem Moment voller Sonnenstrahlen des Glücks war.
Lernen ist vielseitig
Wenn ich für etwas brenne, dann erreiche ich alles, was ich will. Und ich kann Jede*n fragen oder bitten, mich ein Stück meines Weges zu begleiten – durch Hilfe oder einen Anstoß – damit ich dann alleine weiter gehen kann, wenn ich will.
Vor allem aber haben sie mir gezeigt, dass Lernen lebendig ist. Leben ist lernen. Und damit lerne ich alles, was ich zum Leben brauche.
Was ich jetzt weiß:
Man kann hüpfend die Zahlen von eins bis zehn lernen.
Man kann in einer Schaukel liegend die Zellen der Blätter in der Sonne untersuchen und analysieren.
Man kann in zwei Wochen Waveboard-Profi werden und sich Rampen für einen Parcour aufbauen, um sich selbst herauszufordern.
Auf Bäumen hat man den besten Überblick und kann über alles nachdenken.
Man ist nie zu alt, um an Magie, Feen, Elfen und Zauberer zu glauben und diese zu sich zu holen.
Und jeder kann sich die wundervollsten Kleider und Kissen nähen – nicht nur Mamas und Omas.
„Mann muss es einfach machen“
Vor den Osterferien haben wir den Abschied eines Kindes gefeiert. Wir waren im Skatepark und alle Kinder düsten auf ihren Inlineskates und BMX-Rädern durch die Bowls, machten die wildesten Tricks und lachten viel. Ein paar Wochen später saß ich mit einem der Jungen zusammen am Frühstückstisch und wir sprachen über die verschiedenen Bowls. Er erklärte mir, dass er anfangs nicht in die größte Bowl fahren wollte, weil er es sich nicht traute. Ich konnte das nachempfinden und sagte, dass ich den größten Respekt davor habe, dass sie da gefahren seien. Er meinte daraufhin: „Man muss es einfach machen.“ Dieser Satz war so einleuchtend für mich, ich war vollkommen baff über diesen einfachen aber so tiefgehenden Satz. Ich musste lachen und fühlte mich plötzlich ziemlich frei, denn das war alles, was ich brauchte. Ich fühlte mich wie von Sonnenstrahlen durchzogen und in mir hüpften viele kleine Energiekugeln, die das Bedürfnis hatten, frei gelassen zu werden, denn ich musste alles bloß einfach machen.
Und wenn ich all das so sehe, was ich durch die Freie Schule erlebt und gelernt habe, dann weiß ich jetzt, dass Schule nicht im Widerspruch zu Glück und Lernen steht. Vielmehr bin ich der Überzeugung, dass sie genau solche Momente gestalten und unterstützen kann.
Über die Autorin
Juliana ist angehende Erzieherin und Lernbegleiterin an einer Freien Schule. Hier schreibt sie in regelmäßigen Beiträgen von ihren Erlebnissen und Erfahrungen.
2 Antworten
Danke für den schönen Beitrag, Juliana ?
Sie schreiben so klug und lebendig, wie gut, dass es Menschen wie Sie gibt!! Wer die Kombination aus Glück und Lernen für Sozialromantik, oder gar eine Illusion hält, der soll Ihnen nur eine halbe Stunde lang beim Glücklich sein zusehen (oder, wie es in konventionellen Kontexten heißt, beim „Arbeiten“ 😉 und dem, was zwischen Ihnen und den Kindern passiert. Er wird in einer halben Stunde mehr Feuerwerke an sich entfaltenden Potentialen und Beziehungen erleben, als in vielen Jahren an konventionellen Schulen. Leider gilt das auch für das System, das angehende Pädagogen eben genau darauf vorbereiten soll, in sich selbst und in den ihnen anvertrauten Kindern und Jugendlichen diese Potentiale zu entfalten und verlässliche Beziehungen zu gestalten. Da widersprechen die Systemfaktoren der Ausbildung, auf fast schon schizophrene Art und Weise dem, was inhaltlich vermittelt werden soll (Ressourcenorientierung, nicht bewertende Grundhaltung, Menschen als Akteure und Experten ihrer eigenen Entwicklung, etc.). Hoffentlich kommt die Botschaft dieses Blogs auch irgendwann einmal in den pädagogischen Ausbildungssystemen an. Reformpädagogische Ansätze dürfen nicht nach der Grundschule, oder spätestens der weiterführenden Schule, aufhören!!!!