Klingt das nicht ein wenig wie Nordpolarmeer & Badeurlaub, Kirchenchor und Heavy Metal oder Heidi Klum & Empathie? Irgendwie widersprüchlich, fast unmöglich.
Wir kennen sie alle noch – so manch gestrenge Unterart der Spezies Lehrer. Alles an ihrem Leben scheint fein säuberlich, wohl geordnet, korrekt und fehlerlos. Dort, wo ihr Blick hinfällt, zieht sich spontan das Leben zurück. Sie sind angetreten, das Leben zu zähmen, das sich in einer quicklebendigen Schülergruppe vor kurzem noch zeigte.
Doch eines sucht man vergeblich: Sinn für Humor.
Als Old Man Coyote in meinem Buch „Kopfsprung ins Herz – Als Old Man Coyote das Schulsystem sprengte“ eine imaginäre Aufnahmeprüfung für LehramtsstudentInnen (im Wohnzimmer der Hauptperson Noah) nachstellt, da verlangt er zuallererst eine Lachprobe von den angehenden StudentInnen.
Die alte, versteinerte Beamtenwelt und das neue, neoliberale Kompetenzuniversum – sie waren wohl angetreten, um dem Humor den Garaus zu machen. Ob Beamten-Granit oder Kompetenz-Asphalt – beide Anonymitäten sind kein Freund der bunten Blumenwiese…
Und dann schaukelte ich mit einem Kollegen während des letzten Schul-Schikurses am Sessellift Richtung Berggipfel – und er meinte plötzlich zu mir:
„Mindestens einmal während der Unterrichtsstunde sollen meine Schüler lachen können.“
Ich musste ihm begeistert zustimmen, während ich daran dachte, dass das Leben zum Glück nicht aufzuhalten ist. Er hätte die Lachprobe bei Coyote sicherlich bestanden.
Der alte Trickster und heilige Narr Old Man Coyote platzt im Buch just in das Leben der Hauptperson Noah – dieser ist Lehrer an einer Mittelschule – , als gar nichts mehr läuft. Viele Kollegen fahren wie auf Schienen durch die Schulwelt, auch das Privatleben zeigt sich mehr als frustrierend. Und plötzlich – Peng!
Ein alter Mann mit Cowboyhut und Fuchsschwanz verlangt Zigaretten und Kaffee – und gibt vor, der neue Lehrer von Noah zu sein. Er ist unorthodox, humorvoll, kreativ, närrisch und spirituell (was das auch immer ist …). Nur eines ist er sicher nicht: korrekt.
Seine Spiritualität ist ein ekstatischer Tanz, kein gefrorenes Dogma.
Noah ist zu Beginn des Zusammentreffens völlig überwältigt und überrascht. Obwohl er sich kurz über Coyote schlau macht, so ist es doch für ihn irgendwie so, als habe er Geschichten über den Yeti gelesen, der plötzlich an der Türe läutet, an einem Eislutscher schleckt und eine gemeinsame Skitour vorschlägt.
Coyote bringt Leben.
„Leben zuerst Noah, die Struktur ist sekundär“, meint er zu Beginn des Zusammentreffens. Wer an Strukturen und Formen hängt, der trennt, wird ernst, fanatisch und erliegt der Ressourcenausbeutung. Wer mit dem Inhalt tanzt – der beginnt zu leben, zu lieben und sein Potential zu entfalten.
Ist es nicht die Freude, die uns aus dem Überleben in den Schöpfermodus katapultiert?
Und ist der Humor, das Lachen vielleicht die Revolution an der Schule – jener elementare Aspekt, den wir übersehen hatten, als wir, in ernste Sorgenfalten gelegt, über der Idee der perfekten Schule brüteten?
Ist DAS vielleicht der Neubeginn mit den SchülerInnen – der viel beschworene Aufbruchin eine bessere Zukunft? Hatten wir vielleicht genau diesen Punkt in der ernsthaften Debatte über eine bessere Schulwelt übersehen? Ist der Humor jene Fähigkeit, die uns den Kopfsprung ins Herz auch mitten in der Schule gelingen lässt? Können wir dann noch unter-richten oder beginnen wir nicht eher aufzurichten?
Viele von uns sind ja überzeugt, Ernsthaftigkeit sei gleichbedeutend mit Aufrichtigkeit, Effektivität und Reife. Tatsächlich aber hat das wenig miteinander zu tun. Gerade im Lachen, in der Verspieltheitund im Humor steckt eine Qualität, die uns zu echten Menschen macht. Nur intelligente und komplexe Lebewesen spielen. Und es braucht echte Intelligenz, um die Welt mit dem Blick des Humors wahrnehmen zu können. Genau diese Qualitäten öffnen das Herz und machen uns lebendig. „Alles, was wir unseren Kindern beibringen, muss sich von dem unterscheiden,was Maschinen können“ – fordert Jack Ma, der Gründer des Internetgiganten Alibaba und ehemaliger Lehrer.
Lachen, Humor, Verspieltheit, Fantasie – diese Qualitäten machen uns lebendig und unterscheiden uns von Maschinen.
Der geniale William Blake meinte sogar, dass uns erst diese Qualitäten zu echten Christen machen würden – und nicht das brave und kompetente Befolgen von Vorschriften und Programmen, von anderen entworfen.
Ein echter Meister ist doch meist er – und keine programmierte, seelenlose Kompetenzmaschine.
Also, verwandeln wir die Ernsthaftigkeit wieder in Humor, das Marschieren wieder in einen Tanz, die
Kompetenzraster in Freiräume, die Humanwissenschaften in Humorwissenschaften, Kälte wieder in seelenvolle Wärme, Ressourcenausbeutung in Potentialentfaltung und kompetent-brave Menschen wieder in Christen a lá William Blake. Verlassen wir doch das rostige Schiff der jammernden Opfer, ewig geankert im sicheren Hafen der schlechten Kneipen – und besteigen wir das Schiff des Lebens.
Wir brauchen Sauerstoff, frische Luft zum Atmen. Nicht die verstaubte Beamtenwelt und die noch lebensfeindlichere, schädliche Fabrikshallenluft jener Fabriken, die Kompetenzen definieren und produzieren, nach denen Roboter-Menschen sich orientieren.
Steigen wir raus aus dieser Bevormundung – rein in die verrückte Welt des freien Geistes.
Und plötzlich wird man nicht mehr wissen, wohin der lebendige Geist uns führt – aber das Leben wird ein Fest des Lachens, des Humors und Tanzes.
Kinder lieben es zu lachen. Sie lieben Lehrer, die mit ihnen auch Spaß haben können und Sinn für Humor zeigen. Nicht umsonst empfiehlt Coyote mit Shakespeare seinem Schützling Noah den Humor als eines der besten Kleidungsstücke in Gesellschaft zu tragen.
Gerade der Humor öffnet lange verschlossene Türen, ansonsten kaum zu öffnende Herzen und Hirne.
Er bringt verkrustetes, starres Leben wieder in Bewegung.
Lassen wir uns vom Humor auch impfen gegen so manche Widrigkeiten der Schulwelt.
„Ich habe eine Sechsfach-Impfung hinter mir: Der Wirkstoff hilft
gegen Kompetenz, Bildungsstandards, Portfolio, Evaluierung, Professionalisierung
und Hochbegabung“, erklärt in „Kopfsprung ins Herz …“ ein Kollege von Noah.
Coyote mahnt sogar ein:
„Ich warne euch! Vergesst nicht auf den Humor.
Lacht, weil alles so absurd ist. Wenn ihr über die
Absurdität und Paradoxie des Lebens lacht, dann
wird euch das noch den Arsch retten, um mal
Klartext zu reden.“
Am Ende des Buches findet sich noch ein Aufruf an alle, die den „heiligen Medizinbeutel des Humors“ bei sich tragen:
„Heilige Narren, Clowns, Trickster dieser
Welt – vereinigt euch!
Der Zustand dieser Welt ist viel zu ernst!“
Also: Rein ins das beste Kleidungsstück, das wir tragen können – und raus in die Welt!
Dieser Artikel ist zuerst erschienen im Compassioner- Magazin,
Zum Autor:
Gerald Ehegartner ist Lehrer, Autor, Natur- und Wildnispädagoge und Visionssucheleiter.
Sein Buch „Kopfsprung ins Herz – Als Old Man Coyote das Schulsystem sprengte“ begeistert seit seinem Erscheinen viele LeserInnen und zählt zu den Bestsellern auf Amazon.
Gerald Ehegartners Leidenschaft ist die Begleitung von Kindern und Jugendlichen beim Entwickeln ihrer Potentiale. Er gründete mit einer Kollegin das erste Naturpädagogik-Wahlpflichtfach Österreichs – „Abenteuer Natur“ – und wurde dafür mit dem „Teacher´s award“ ausgezeichnet.
Er ist Mitglied der „Lernwelt“ sowie der „Akademie für Potentialentfaltung“ von Prof. Gerald Hüther.
Gerald Ehegartner war auch Teilnehmer des Online-Kurses „Schreibglück“.
www.geraldehegartner.com; http://www.lernwelt.at/leitung/team/index.html
Buch:
Kopfsprung ins Herz – Als Old Man Coyote das Schulsystem sprengte
Tao.de – Kamphausen
Seiten: 304; 1. Auflage
Das Buch ist in allen Thalia-Filialen, gut geführten Buchhandlungen und natürlich
online über Amazon usw. erhältlich.
Gerald Ehegartner, thanks a lot for the article post.Much thanks again. Fantastic.
Thank you, too, for your post.
Greetings,
Gerald