Heute kommt Teil zwei unseres Doppelartikels über die Schule und das Wetter. Denn auch Juliana hat ähnliche Erfahrungen mit Familientreffen gemacht und teilt sie hier mit uns. Viel Spaß!

Wann immer ich auf Familienfeiern bin, gibt es diesen Moment, in dem das vorangegangen Gesprächsthema in Stille umschlägt. Als könnte diese Stille niemand ertragen, wird dann über das Wetter gesprochen. Und alle steigen fast schon dankbar ein, um die Stille mit belanglosem Austausch über das vorherrschende Wetter – dem Ausbleiben des Regens und die unerträgliche Hitze, bei der ja kein Mensch arbeiten kann – zu füllen.

Kennst du solche Platzhalterthemen?

Während eines Gesprächs mit Freunden, kommen wir auf ebendieses Phänomen zu sprechen und fachsimpeln wegen möglicher Ursachen dieses immer wiederkehrenden Gesprächsthemas sowie seiner Beliebtheit. Nachdem wir die verschiedensten Theorien durch haben, erwähnt einer ein weiteres Phänomen. Wenn das Wetter-Thema durch sei, würden die Kinder nach der Schule gefragt. Wir anderen stimmen dem zu und verfallen sogleich in eigene Schulthemen. Was gerade vollkommen katastrophal in unseren Augen läuft oder welche Erlebnisse aus dem vergangenen Schuljahr hängen geblieben sind. Nach ein paar Minuten kommt der Vorschlag, mal das Thema zu wechseln. Mit der Feststellung, dass dieses Thema ein abendfüllendes Programm bietet, findet der Themenwechsel Zustimmung.  Wir selbst haben kaum bemerkt, dass wir von einer Schulgeschichte in die nächste übergehen, ohne Punkt und Komma.
„Schule ist das Wetter der jungen Leute.“, kommt der Satz, noch mitten in meinen Schulgedanken verfangen, von meinem Gegenüber.

Bis dahin ist Schule für mich immer nur ein Teil von Gesprächen auf so ziemlich allen größeren Zusammentreffen gewesen. Ein Thema, auf welches man früher oder später zwangsläufig zu sprechen kommt, weil es den Alltag von vermutlich jeder Familie prägt oder geprägt hat. Jede*r hat mindestens eine Geschichte über die eigene Schulzeit auf Lager. Letztlich enden fast alle diese Gespräche mit dem Kundtun der eigenen Unzufriedenheit mit dem vorhandenen Schulsystem und mit dem Gefühl von Gemeinsamkeit in der scheinbar unveränderbaren Situation des Systems.

Es hat einen ähnlichen Charakter

Dass dieses Thema dennoch Platzhalter ist, genau wie das Wetter, ist mir bis zu dem Gespräch nicht näher in den Sinn gekommen. Dennoch hat es einen ähnlichen Charakter, wie das Wetter-Thema. Alle können daran teilhaben, jede*r hat eine persönliche Meinung dazu, niemand muss tiefergehend persönlich werden, es kann einfach oberflächlich besprochen werden, es unterbricht die Stille und kann verbindend wirken, es gibt Leidensgenossen und  Gleichgesinnte, es stellt ein generationenübergreifendes Thema dar. Es gibt die, die unzufrieden sind gegenüber denen, die ganz zufrieden scheinen mit dem, was ist. Dann gibt es die, die glauben, selbst etwas ändern zu können oder die, die glauben, dass sich etwas ändern muss. Diese stehen gegenüber denen, die sagen, man solle zufrieden sein, da wir überhaupt eine Schule besuchen können und denen, die behaupten, es sei immer so gewesen und man müsse eben da durch.

Rückblickend betrachtet, ist es auf fast allen Familienfeiern so gewesen, dass die jüngeren Menschen versucht haben, sich von den älteren zu distanzieren. Sie haben fast ein wenig genervt gewirkt, wenn das Wetter angesprochen wurde. In einem neuen Gesprächskreis eröffneten sie dann das Thema Schule, ohne zu bemerken, dass sie damit demselben Phänomen wie die Wetterredner folgen. In diesen Momenten, in denen ich das bemerke, fühle ich mich unwohl, diese Gespräche fühlen sich in mir auch bloß an wie ein Platzhalter und hinterlassen Unmut.

Mich selbst trifft das Thema Schule auch so gut wie immer und ich verfalle oft in das Phänomen. Vielleicht ist Schule in manchen Momenten auch mein Wetter.

Zu Teil 1 

Über die Autorin

Juliana ist angehende Erzieherin und Lernbegleiterin an einer Freien Schule. Hier schreibt sie in regelmäßigen Beiträgen von ihren Erlebnissen und Erfahrungen.Glück

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