Bericht eines Entschlusses

ein Bericht von Simone Helm

Die Rede ist von einer in Gründung befindlichen neuen Schule für Ostfriesland. Die erste öffentliche Informationsveranstaltung durch den Verein „Raum für natürliches Lernen e.V.“ am 16.09.2017 hat den obigen Entschluss weiter gefestigt.

www.raum-fuer-natuerliches-lernen.de

Mein Kind – das ist in diesem Fall ein eher zartes, zurückhaltendes sechsjähriges Mädchen, welches Anfang August in die Grundschule eingeschult wurde. Voller Freude, Ungewissheit und doch auch Klarheit machte sie sich – wie so viele andere junge Menschen – an diesem Tag und an den bisher folgenden Tagen auf den Weg zu ihrer Schule. Aber bereits am vierten Tag gab es auf dem Schulweg Tränen, die nicht versiegen wollten und so kehrten wir erst einmal um, damit Beruhigung einkehren konnte. Was war hier los? Das Kind selber konnte nicht genau benennen, was es war, seine erste Antwort war: Das kleine Plüschtier, das es zur Einschulung geschenkt bekommen hatte und das es unauffällig, aber getreulich mit zur Schule nahm, war krank! Später folgten Anmerkungen, dass sie sich in den Pausen allein fühle, dass es laut sei und dass sie soviel sitzen müsse.

Der nächste Schultag war dann ein Montag und die Tränen kamen erst an der Türschwelle zum Klassenzimmer. Sicherlich mag die Trennung von Mama in neuen Lebensabschnitten ein Thema sein. Aber mir kam es vor, als stecke mehr dahinter. Vielleicht auch, weil der notwendig stattfindenden Trennung keine neue Bindung folgte. Die Klassenlehrerin war oftmals noch gar nicht in der Klasse, die anderen Kinder aus Kindergartenplatz bedingten Gründen unbekannt.

Wie fühlt sich ein Kind dann?

Wie würde man sich selber fühlen?

Gut wohl kaum, es sei denn, man hatte schon immer vor, allen zu zeigen, was für ein toller Phänotyp Mensch man ist. Davon kann bei meiner Tochter nicht ausgegangen werden. Als weinendes, verängstigtes Mädchen geht sie in den folgenden Tagen in die Klasse. Der Situation hilflos ausgeliefert.

Ich schaue mir diese Entwicklung nun seit knapp sechs Wochen an. Inzwischen weint sie nicht mehr äußerlich, sie sackt an der Schuleingangstür ein Stück weit in sich zusammen, presst sich ihr kleines Plüschtier vor den Mund und geht sichtlich schweren Herzens und mit sich ringend hinein. Allein die Zusage, dass ich sie am Ende der vierten Stunde an der Stelle der Verabschiedung auch wieder in Empfang nehme, gibt ihr vermutlich den Halt den langen Schulflur entlangzugehen und sich zu fügen.

Mir wird mit jedem Tag klarer, was hier geschieht: Mein Kind möchte nicht in die Schule. Warum auch? Schon früh um sieben, wenn der Schlaf zu beenden ist, kann meine Tochter nicht in Ruhe erst ein wenig spielen oder sich Bücher anschauen, was sie liebt. Sie wird von mir angetrieben, müde wie sie ist, sich anzuziehen und nach unten zum Frühstück zu kommen. Sie kann um diese Zeit fast noch nichts zu sich nehmen. Sie ist ein normal großes und durchaus fröhliches, aber nicht einmal 20 kg schweres Mädchen, das nach wenigen, manchmal auch schon nach einem unmotivierten Bissen das Essen einstellt. Dann geht es unter zähem Ringen wie vielerorts noch ins Bad. Zähne putzen, Haare bürsten usw., Jacke, Schuhe und ab aus dem Haus.

Auf dem Weg zur Schule stellt sie mir – wie auch abends – oft spannende Fragen:

Wie kommt es, dass sich beim Auto die Räder zu drehen beginnen?

Woraus ist die Haut?

Was ist im Blut?

Oder auch: Warum wird beim Kuchenbacken der Teig fest?

Keine dieser Fragen wird in der Schule eine Antwort finden!

Schlimmer noch, es gibt gar nicht erst die Gelegenheit, weder die Zeit noch den Raum, sie überhaupt zu stellen. Erst zuhause können wir ein Ei in die Pfanne hauen und zusehen, was passiert. Wie das flüssige rohe Ei in einer spannenden Verwandlung unter Zufuhr von Hitze zu einem festen – und danach auch leckeren – Spiegelei wird.

Sollte eine Schule nicht Raum und Möglichkeit geben, diesen Fragen nachzugehen? In unseren Schulen stellen meist Lehrer die Fragen oder sie manipulieren die Kinder so lange, bis sie die richtigen Fragen, nämlich die, deren Beantwortung zur Erfüllung des Lehrplans führen, scheinbar selber stellen. …..

 

 

2 Antworten

  1. Mit einer Taschenlampe mit warmem Licht leuchtest du so einfühlsam einen dunklen Fleck in unserem derzeitigen Bild von Bildung aus. Bisher völlig missachtet und doch so bedeutsam für das Lernen.

    1. Liebe Simone,

      danke für deinen Beitrag. Du bist ein Engel und diese brauchen wir hier in dieser schönen Region, mein Traum ist eine PIA NordWest Region. Also ein Raum in welchem Potentialentfaltung, Innovationskraft und Augenhöhe bewusst gelebt wird. Aber wie können wir das erreichen?

      Fragen stellen ist brutal wichtig, denn wer fragt, der führt. Dein liebes Kind ist neugierig und das Leben gibt Rätsel auf. Dein Kind ist neugierig und will diese Rätsel lüften, das Geheimnis, also das was dahinter steckt entdecken. Diese Neugier kann zu Begeisterung führen und Begeisterung führt zu nachhaltigen Lernprozessen. Prozesse wie in einem großen sozialen System wie einer staatlichen Schule, vielleicht auch mehrzügig, sind blaue Systeme. Blau sind die Rituale, der Stundenplan, die festgelegten Inhalte, die von der Lehrkraft für dein Kind formulierten Lernziele. Also die Lehrkraft beschreibt sehr deutlich, welchen Lernzuwachs dein Kind in der Stunde haben wird. Achso dein Kind hatte ja eigene Fragen, es war neugierig diese Welt zu entdecken. Mhm,…. naja diesen Fragen kann sie ja dann nach der vierten Stunde nachgehen. In der Schule geht es um die Systemerhaltung der blauen Prozesse und nicht unbedingt um individuelle Fragestellungen und einzigartige Lösungsansätze. Das wäre ja völlig innovativ, kreativ, rot. Also nicht (so gut) planbar.
      Stell dir vor, es gibt eine Schule, die die individuellen Fragen der Kinder in den Mittelpunkt ihres Wirkens stellt. Wie sehe der Kompetenzerwerb aus? Was wäre anders?
      Fragen stellen ist brutal wichtig, denn wer fragt, der führt. Können wir unseren Kindern zutrauen, dass sie ihre Lernprozesse selber führen? Warum fällt es uns Erwachsenen (vielleicht) so schwer diesen Prozessen Raum zu geben? Raum und Zeit für Entfaltung und natürliches Wachstum. Raum für Kreativität und individuelle Lösungswege. Raum für nachhaltige Lernprozesse. Raum für Mut. Raum für Freiheit. Raum für Glück. Im Raum Ostfriesland gibt es solche Orte. Emden ist einer davon. Dort sitzt ein Unternehmen, welches es sich zum Ziel gemacht hat, genau diese Entfaltungsräume zu kreieren. „Wertschöpfung durch Wertschätzung“ so eines ihrer Prinzipien. Bodo Janssen dient diesen Räumen und seinen über 600 Mitarbeitern. Die Genese dieser MUTmachRäume könnt ihr auch nachlesen: https://www.der-upstalsboom-weg.de/der-upstalsboom-weg/die-geschichte/

      Fragen stellen ist brutal wichtig, denn wer fragt, der führt.
      Ich will ehrlich sein und mir Fragen stellen, weil ich mich selbst führen will, weil meine Beziehungen zu meinen Mitmenschen gelingen soll und weil ich in die Verbindung zu meinem Vater im Himmel kommen will. Diesen WEg der persönlichen Genese könnt ihr hier auf dem Blog in meinen Texten nachlesen oder, wenn ihr lieber etwas auf die Ohren bekommen wollt, auf meiner soundcloud: https://soundcloud.com/user-828110675/kreaive-poeten-leben-denn

      Wer bin ich?
      Wie gelingen die Beziehungen zu meinen Mitmenschen?
      Wie komme ich in die Verbindung zu Quelle des Lebens?

      Diese drei Fragen beschreiben meine zentralen Reflektionswege, denn Reflektion schafft Bewusstsein und Bewusstsein schafft Lebenssinn. Diese Beobachtung unterstützen Jens Lehrich und Gerald Hüther in einem sehr hörenswerten Gespräch: https://www.youtube.com/watch?v=I6NCaqCAaws

      Haben wir Mut und vertrauen den Kindern, sodass sie durch ihre eigenen Fragen sich selbst und ihre Umwelt entdecken dürfen, sodass die Erkenntnisse unter die Haut gehen und Lernen in Begeisterung stattfinden darf. Wir dürfen diese Räume schaffen, denn jetzt ist die Zeit, unsere Lebenszeit.

      Mehr zum Thema auch in der Facebook-Gruppe „Es muss unter die Haut gehen“ Prof. Dr. Gerald Hüther oder wenn es etwas regionaler sein soll in „Meer“ Niedersachsen.
      Ich wünsche euch gelingende Wege der Selbsterkenntnis, der Liebe und Achtsamkeit zu euren Mitmenschen sowie eine himmlische Verbindung zu eurem liebenden Vater.

      Danke liebe Simone für dein Ehrlichkeit und die Schilderung deiner Beobachtungen.

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