Mein erstes Mal bei Bernd

Seit gut einem halben Jahr bin ich als FSJler an einer Demokratischen Schule. Jeden Tag gibt es neue Dinge zu entdecken und neue Situationen zu meistern. Selten ist ein Tag wirklich „langweilig“, weder für die Kinder, noch für uns Lernbegleiter. Dafür passieren einfach zu viele Dinge und es gibt zu viele Möglichkeiten.

Zum Beispiel das Musikangebot, in dem mit verschiedenen Instrumenten herum experimentiert und ausprobiert werden kann – von

Komfortzone
Bernd arbeitet zusammen mit Jonas an einer Demokratischen Schule.

Trommeln, über Gitarren bis hin zum Keyboard und Gesang. Normalerweise wird dieses wöchentliche Angebot bis zum Anschlag ausgenutzt und wer einen Platz bei Lernbegleiter Bernd ergattern will, sollte möglichst früh am Tag einen freien Zeitslot reservieren. Wer es einmal geschafft hat, hat dann zwischen 30 und 60 Minuten Zeit um sich kreativ auszutoben und Musik zu machen. Tatsächlich hatte ich noch nicht das Bedürfnis, mich dort vor Bernd zu blamieren.

Ich hatte mich nie für sonderlich musikalisch gehalten.

Mit zehn habe ich zwei Jahre Keyboard gespielt und das dann wieder geschmissen, weil ich keine Lust aufs Üben hatte. Die nächsten zehn Jahre habe ich die Leute beneidet und bewundert, die ein Instrument beherrschten. Das fing an, als ich Bands im Fernsehen sah und endete auf Freizeiten am Lagerfeuer, wo ein toller Typ mit toller Stimme am Feuer saß und mit tollen Mädels zusammen tolle Lieder sang. Leider saß ich auf diesen Freizeiten immer auf der anderen Seite des Feuers – bei denen, die weder singen noch ein Instrument spielen konnten und stattdessen immer nur da saßen und Holz ins Feuer warfen.

 

„Lust ein bisschen Musik zu machen?“

Komfortzone
Bernds Musikangebot ist ziemlich beliebt.

Doch eines Tages saß ich per Zufall in dem Musikraum und Bernd fragte: „Lust ein bisschen Musik zu machen? Ich hatte Lust. Also schnappte ich mir eine seiner Gitarren und er fragte mich, was ich denn spielen wolle. Natürlich habe ich viele Lieder, die ich mag und natürlich ist mir keines dieser Lieder in diesem Moment eingefallen – erst recht kein einfaches, schließlich hatte ich absolut keine Ahnung wie viele Akkorde diese Lieder haben können. Da viel mir „Don’t stop me now“ von Queen ein, es ist eins meiner Lieblingslieder. Doch nach langem Suchen hatten wir die Akkorde immer noch nicht auftreiben können und einigten uns darauf, mit einem absoluten Anfängerlied anzufangen: „Lady in Black“ von Uriah Heep. Ein Song, der jedem Gitarrenanfänger über den Weg läuft. Denn der Song hat nur zwei Akkorde und einen einfachen Rhythmus, perfekt um einzusteigen.

Bernd zeigte mir zu aller erst den Unterschied zwischen einer Western und Konzertgitarre. Den Unterschied zwischen Zupfen und Anschlagen und Nylon und Stahlsaiten. Als nächstes kamen die Griffe und die dazugehörigen Saiten, die gespielt werden müssen.

Dann ging es los und wir „spielten“ zusammen den Song. Das heißt, er trommelte den Rhythmus auf einem Cajon und ich versuchte die Griffe im richtigen Moment zu wechseln. Anfangs hatte ich stark das Gefühl, alles perfekt machen zu müssen und gute Leistungen abliefern zu müssen. Je länger wir da saßen und zusammen Geräusche produzierten, desto geringer wurde dieser Druck und meine Angst vor Bewertung. Bernd sagte nie: Mach das anders. Du bist aus dem Takt. Du bist zu langsam.

 

Aus der Komfortzone in die Lernzone

Komfortzone
Aller Anfang ist schwer – doch das Überwinden lohnt sich meistens.

Ganz im Gegenteil: Er passte sich meinem Tempo an. Hatte einen aufmerksamen Blick auf meine Finger. Und jedes Mal, wenn ich ihn fragte, was ich besser oder anders machen könnte, hatte er einen Tipp auf Lager. Oftmals war es einfach nur:  Ausprobieren. Üben. Wiederholen. Er machte mir Mut, mit Absicht herumzuspielen – ohne zu wissen, was für Töne dabei herauskommen. Die Gitarre kennen zu lernen und zu fühlen, was passiert, wenn ich dies oder jenes mache. Er lachte zusammen mit mir, wenn ein besonders schräger Ton dabei entstand. Ich konnte Bernds Freude darüber spüren, zu sehen, wie sich jemand vollkommen naiv an dieses Gerät herantraute, welches er selber schon so oft gespielt hat. Dabei hatte ich immer das Gefühl, dass das was ich tue, genau richtig ist. In all seiner Unvollkommenheit.

Das Wissen, so angenommen zu werden, wie man ist. Das ist es, was Menschen beflügelt und ermutigt, aus der Komfortzone in die Lernzone und in die Welt hinaus zu treten. Mit dem Wissen im Hinterkopf, dass einem jede Sekunde Vertrauen geschenkt wird, egal was passiert.

 

Was ist dein Traum? Wo ist deine Komfortzone?

Warum erzähle ich euch das alles? Weil diese Geschichte für mich sinnbildlich für das gesamte Schulkonzept der Demokratischen Schulen steht. Ein offenes Angebot ohne Druck, ohne Bewertung, ohne Zwang. Eine individuelle Begleitung auf seinem Weg. Viel Raum für Entfaltung. Unterstützung, wenn ich danach frage. Intrinsische Motivation als Voraussetzung.

Jetzt bist du dran: Was ist deine Gitarre? Was ist dein Traum? Wo ist deine Komfortzone? Was willst du lernen und warum? Was brauchst du, um anzufangen? Wer kann dir dabei helfen zu beginnen?

Vielen Dank, dass du bis hierhin gelesen hast. Wenn dich meine Geschichte inspiriert hat, teile sie doch mit deinen Freunden. Und wenn du magst, nimm dir die Zeit ein schon lange aufgeschobenes Vorhaben zu starten oder ein verstaubtes Instrument aus dem Schrank zu holen.

Ich glaube an dich 🙂

Jonas

 

PS: wenn du in der Nähe von Stuttgart wohnst und eine Gitarre abzugeben hast, dann schreibe mir eine Mail an jonas@schoolsoftrust.com 🙂

 

Hier kommst du zu Jonas letztem Artikel: Wie ist das so, als junger Mensch?

2 Antworten

  1. Ein schöner Artikel.
    „Meine Gitarre“ ist im Moment der Blog (www.dreimalfrei.ch) den ich seit knapp einem Jahr schreibe. Aus intrinsischer Motivation heraus entstanden, einfach um eine Plattform zum Schreiben zu haben. Nun tauchen nach und nach immer mehr Baustellen auf, die auch dazu gehören. zB. das ganze Technische, was garnicht mein Ding ist, oder das Bewerben meiner Texte auf den Sozialen Medien, damit man auch gelesen wird. Ich muss mich wohl in Zukunft auch mit Themen wie Fotographie oder SEO-Optimierung beschäftigen… usw. Oft denke ich: Es wäre schön, einen wohlwollenden Mentor an meiner Seite zu haben, der mir alle Fragen direkt beantworten kann. Solange ich aber motiviert bin, suche ich mir immer wieder Gleichgesinnte oder Fachleute, die mir in einem bestimmten Punkt weiterhelfen können. So habe ich schon extrem viel gelernt und staune selber ein wenig über mich und meine enorme Kraft die ich für dieses Projekt „Blog“ aufbringe. Freiwillig, weil ich selber das wirklich möchte. Würde ich dazu gezwungen oder gedrängt werden, würde es mich extrem anwiedern mich mit Themen zu beschäftigen die ich eigentlich nicht mag. Das mache ich nur, weil es eben dazugehört und meinem eigenen „höheren Ziel“ dient. Ich denke so ist das auch mit unseren Kindern: Wo Motivation oder ein persönliches Ziel vorhanden sind, wird gerne investiert und mit Hochdruck gelernt. Das Gelernte bleibt auch im Gedächtnis, weil es ja eine Relevanz hat zum aktuellen Zeitpunkt.

    Dir wünsche ich viel Spass beim Gitarre üben… ich mach mich jetzt an meinen nächsten Artikel 😉

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