Hausaufgaben – Nein Danke!?

Wenn ich mich heute mit Mütter und Vätern mit Kindern im Grundschulalter unterhalte, kommt das Gespräch sehr schnell auf das Thema Hausaufgaben.

Hausaufgaben waren und sind die meiste Ursache für Ärger und Frust in den Familien.

Was ist der Sinn von Hausaufgaben? Warum gibt es Hausaufgaben?

In der Lerntheorie spricht man davon, dass die immanente Wiederholung ein wichtiger Faktor für das Abspeichern des Gelernten in das Langzeitgedächtnis ist. Das heißt bestimmte Denkmuster sollen durch die immer wiederkehrende Wiederholung automatisiert werden. Ungefähr so wie beim Auswendiglernen des Einmaleins.

Nun ist es jedoch in der Realität oft so, dass die Aufgaben in der Schulstunde sehr theoretisch erklärt Hausaufgabenwerden und die Phase des Einübens mit dem Lehrer sehr kurz gehalten wird. Oft muss der Lehrer von 45 Minuten in der Klasse 20 Minuten damit verbringen, die Hausaufgabe des Vortages zu kontrollieren oder Nebenschauplätze – sprich Störungen – durch soziale Interaktionen unterbinden.

Es kommt erschwerend hinzu, dass der Prozess des Lernens nur dann optimal funktionieren kann, wenn das Kind nicht durch andere Problemstellungen seines Lebensumfeldes, morgendlicher Streit mit den Eltern oder Geschwistern, nicht ausgeschlafen, Sorgen, Versagensängste, zu großer Ehrgeiz gehandicapt ist. Gerald Hüther beschreibt in einem Video sehr schön, wie Lernen tatsächlich leicht funktioniert und was Kinder am Lernen hindert.

Wenn ich also in einer Schule gezwungen bin all diese Dinge, die mich persönlich betreffen, zu unterdrücken, so kann die Konzentration gar nicht dem Maße entsprechen, die notwendig wäre, um dem gängigen Grundschulunterricht zu folgen.

Was wir noch außer Acht gelassen haben ist die Beziehung zur Lehrkraft. Wenn ich Glück habe stimmt es in dieser Beziehung und ich vertraue dem Lehrer/in und finde Wege, eine Beziehung aufzubauen und mich anzuvertrauen und die Aufmerksamkeit zu bekommen, die ich benötige, ohne unangenehm aufzufallen.

Was für eine Leistung!

Was für ein Anspruch an die Lehrer/in zu jedem der 28 Kinder eine gute Beziehung aufzubauen.

Meine persönliche Erfahrung ist, dass es ab dem zehnten Kind schwierig wird. Eine optimale Zahl sind sechs Kinder. So meine Erfahrung.

Wir sind noch nicht bei den Hausaufgaben!

Hausaufgaben
Mathe-Aufgaben können ganz schön lang dauern

Gehen wir also davon aus das Kind konnte am Vormittag in der Schule aufmerksam folgen und hat alles gut verstanden. Es kommt nach Hause und isst zu Mittag. Die verständnisvolle Mutter weiß: Jetzt kommt das Mittagstief und genehmigt erstmal einen Ausruh- und Spielzeit, gegen 16.00 Uhr soll das Kind dann Hausaufgaben machen. Nun hat es in Mathematik eine Seite Wiederholungsaufgaben, davon eine halbe Seite für eine Rechentechnik und eine halbe Seite für eine zweite Rechentechnik und dann noch Textaufgaben.

Liebe Grundschullehrer und Anwärter habt ihr schon mal die Zeit gemessen, die es braucht um ein solches Arbeitsblatt auszufüllen, wenn ich alles weiß und keine Schwierigkeiten habe, nur das Eintragen der Ergebnisse? Ich habe das spaßeshalber Mal ausprobiert. Es war mehr als eine halbe Stunde.

Doch in Deutsch hat ja das Kind dann auch noch Hausaufgaben in ähnlich ausführlicher Weise.

Und dann bitte noch in Englisch oder Biologie die Bilder ausmalen.

Da kommt es dann vor, dass ein Kind von 16.00 Uhr bis 18.00 Uhr an den Hausaufgaben sitzt.

Freies Spiel mit anderen Kindern? Fehlanzeige.

Und das alles für die niedrigste Stufe des Lernens (nach Roth), der Reproduktion?

Dabei ist der Anspruch die Stufe der Problemlösung.

Im freien Spiel mit anderen Kindern in der Natur, gilt es oft alle möglichen Probleme zu lösen und zwar allein. Früher sagte man „Not macht erfinderisch“. Natürlich möchten wir in unserer Welt unsere Kinder nicht der Gefahr aussetzen, doch sie in einem „Käfig“ unter Beobachtung ständig den selben Reproduktionen auszusetzen führt nicht zur natürliche und naturgemäßen Entwicklung.

Was wäre wenn, es keinen Hausaufgaben gäbe?

Würden unsere Kinder dann weniger lernen?

Ich denke nicht, und es wäre sowohl für Lehrer als auch für die Kinder und die Eltern ein Gewinn.

Die Lehrer hätten keine Notwendigkeit mehr 20 Minuten Zeit für die Kontrolle der Hausaufgaben zu verschwenden, sie könnten stattdessen mit neuen Unterrichtsmethoden die Kinder für ihren Fachbereich begeistern.

Ihre eigene Begeisterung würde die Kinder motivieren und anspornen, durch die Freude würde das Erlebte sofort ohne Wiederholung im Langzeitgedächtnis abgespeichert.

Hausaufgaben
Ist das nicht besser als Hausaufgaben?

Kinder könnten am Nachmittag wieder draußen auf der Straße oder in der Natur spielen.

Oder sich zuhause treffen, um mit dem Freund ein Spiel zu spielen. Eltern würden entlastet und könnten in der freien Zeit ebenfalls mehr mit ihren Kindern spielen.

Ich weiß, einige werden sagen, dies sei realitätsfremd. Da die Kinder zuhause eh nur Fernsehen, sich mit dem Computer oder Handy beschäftigten. Die Natur sei zu weit weg, die Straßen zu gefährlich.

Wenn das wirklich so ist, warum nehmen wir es hin?

Wir sind die Erwachsenen, es ist an uns die Welt für unsere Kinder natürlich und entwicklungsgerecht zu gestalten. Warum geben Eltern den Kleinkindern ihr Handy zum Spielen? Warum sitzen wir mit dem Tablett am Frühstückstisch?

Es ist an uns Vorbild zu sein!  Und zwar an jedem von uns, an Eltern und Lehrern und Großeltern und kinderlosen Menschen, an den Medien, an der ganzen Gesellschaft!

Dorothea Claßen
Montessoripädagogin
Website: www.dein-lernraum-offenau.de/
Facebook: www.facebook.com/Lernraum-749482371811777/

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