Kolumne, Teil X
Acht Schulen. Ein Monat. Tabea erzählt von der Summer Tour 2018.
Ihr Fazit. Ein Rückblick auf ihre Regelschulzeit.
Schule war schon immer mein Ding. Früher, als ich im Freundschaftsbuch meine Antwort bei „Lieblingshobby“ eintragen musste, dann war das Schule spielen. Seit der ersten Klasse habe ich immer, als ich nach Hause kam, weiter Schule gemacht. Meine Eltern kauften mir eine Tafel, Kreide, einen Schwamm und der Rest wurde meiner Kreativität überlassen. Das bedeutete, dass ich meine Luftkinder unterrichtete – mit ihnen nachspielte, was ich morgens in der „richtigen“ Schule gelernt hatte. Und wenn es mit meinen Luftkindern zu langweilig wurde, dann musste meine Schwester herhalten, oder meine Oma, oder jedes andere Opfer, das ich mit meinen Übungsheften (die oft mein einziger Weihnachtswunsch waren) oder selbstgemachten Arbeitsblättern belästigen konnte.
In meinem eigenen Klassenzimmer konnte ich meiner Fantasie und meinem Willen freien Lauf lassen.
In einer Stunde habe ich meiner Schwester zum Beispiel erklärt, dass es ganz egal sei, wie viele Mal die 0 vor einer Zahl steht. Das ändert nichts an ihr, solange sie durch kein Komma getrennt ist. Mein Arbeitsblatt bestand dann aus 50 Zahlen, die sie ausschreiben sollte. Es ist ein Wunder, dass meine Schwester meine Pädagogik ohne größeren Schaden überlebt hat.
Selbstverständlich vergab ich Noten. Selbstverständlich führte ich streng ein Klassenbuch. Selbstverständlich gab ich gerne Hausaufgaben. Und selbstverständlich hatte ich ganz allein das Sagen in meiner Schule – als Schulleiterin Frau Braun.
Das alles ist kein Witz. Es war meine absolute Leidenschaft und auch meine Oma hatte ihren Spaß – die übrigens meine beste Schülerin war. Ihr habe ich mit großem Erfolg Lesen und Schreiben beigebracht, was sie allerdings vorher schon konnte.
Traumberuf Lehrerin
Ich wollte damals Lehrerin werden. Mit ganzem Herzen. Meine Grundschullehrerin hat meiner Mutter gesagt: „Kinder erzählen ja immer viel, was sie später mal machen wollen. Bei Tabea glaube ich aber wirklich, dass sie mal Lehrerin werden wird.“
Eventuell habe ich auf dem Gymnasium gemerkt, dass Kinder nicht ganz unanstrengend sind. Aber auch, dass ich nicht immer um 8 Uhr arbeiten will oder genau wissen möchte, dass ich in 25 Jahren wahrscheinlich immer noch verbeamtet bin und das Gleiche mache.
Der Struggle mit dem Konformitätsdruck
So sehr ich Schule auch mochte, mein einziger (aber zeitweise großer) Struggle in der Schule war das soziale Umfeld. Im Grundschulalter war ich als „Luftlehrerin“ bei meinen Klassenkameraden zwar beliebt, allerdings mit gewissen Außenseiterqualitäten. In der Pubertät war ich dann besser im Klassenverbund integriert, was aber auch nicht immer leicht war. Einmal haben wir in der achten Klasse ein neues Fach dazu bekommen. Ich kannte eine Mitschülerin aus einer anderen Klasse schon. Ich war total glücklich, dass wir jetzt einmal gemeinsam Unterricht hatten. Maike war übergewichtig. Mir war das ganz egal. Ich habe das überhaupt nicht beachtet. Meine Mitschüler schon. Schnell habe ich gemerkt, wie diese Unbeliebtheit auch auf mich übergeschwappt ist.
Ab diesem Moment war es mir nicht mehr egal, mit wem ich abhing. Darum wollte ich in der neunten Klasse nicht mehr neben dem übergewichtigen Mädchen sitzen. Die 100%ige Sorglosigkeit im Umgang miteinander ist mir damals in der Schule verloren gegangen. Statt auf mein eigenes Selbst zu hören, war ich darauf bedacht, es den Meinungsführern in der Klasse recht zu machen. Anpassung statt freies Selbst.
Augen-öffnen durch Auslandsjahr
Mein Auslandsjahr hat mich – Gott sei Dank – dann gelehrt, dass dieses Beurteilen von Menschen aufgrund von Äußerlichkeiten völlig bescheuert ist. Das Jahr im Ausland hat mich auch gehindert, mich in vielen anderen Dingen anzupassen – mit der Masse mit zu schwimmen. Das hatte als Konsequenz, dass ich nach meinem Auslandsjahr in meiner Schule nicht mehr richtig den sozialen Anschluss gefunden habe, aber dies auch nicht unbedingt wollte und brauchte. Ich glaube, das wäre anders auf einer Freien Demokratischen Schule gewesen. Ich denke, dort wäre mir diese Erfahrung erspart geblieben – zumal dort die Schüler weniger angepasst sind und dort mehr das freie und selbstbestimmte Selbst gefördert wird.
Freie Schule, freies Selbst? Hier kann ich nur meine persönliche Antwort darauf geben. Durch die Regelschule habe ich persönlich viel Freiheit für meine Zukunft gewonnen. Mit meinem sehr guten Abi kann ich mich an jeder Universität für jeden Studiengang bewerben. Mit einem Stipendium, was ich auch mithilfe der Schule bekam, konnte ich ein Auslandsjahr in den USA machen. Durch verschiedene Angebote, habe ich an verschiedenen Akademien teilgenommen, an denen ich mittlerweile selbst Referentin bin. Durch den Vorschlag meines Schulleiters habe ich ein Stipendium beim größten deutschen Förderwerk für mein Studium erhalten. Ich habe zwei Schüleraustausche gemacht, war in der Oberstufe Teil von fünf AGs und hatte zwei Fächer mehr als alle anderen.
Kurz: Ich habe Schule komplett ausgeschöpft. Aber Schule hat mich nicht voll ausgeschöpft. Sie hat mich eher beflügelt für alle Dinge, die ich außerhalb der Schule getan habe – und mein jetziges Leben.
Die wesentlichen Dinge, die mir in der Schule gefehlt haben – Leidenschaft an Projekten und Themen, Engagement über Schulnoten hinaus, selbstbestimmte, unangepasste Freunde – konnte ich in meiner Freizeit finden.
Ich habe mich auf der Reise öfters gefragt, ob es besser für mich gewesen wäre, auf eine Freie Schule zu gehen..
Ich persönlich brauchte die freie Schule nicht, um mein freies Selbst zu finden. Gerade durch meine „bewusst-unbewusste“ Relativierung der Regelschule durch außerschulische Interessen, passte ich perfekt in die Regelschule. Unter Frontalunterricht, Hausaufgaben, Disziplin und Leistungsdruck gehe ich auf. Das macht mir heute noch genauso Spaß wie damals als „Luftlehrerin“.
Es ist ziemlich ernüchternd, mir das so einzugestehen. Wenn man so will, dann ist das mein persönliches Fazit dieser Reise. Doch ich bin nur eine von 11.021.061 Schülern in Deutschland.
Tabeas letzter Kolumnenartikel: https://blog.schoolsoftrust.de/dieser-lehrer-rockt/
Ich finde dein Fazit nicht ernüchternd sondern sehr ehrlich und realistisch. Es gibt eben nicht DIE eine Wahrheit. Menschen sind unterschiedlich und haben individuelle Fähigkeiten ihr Leben zu leben. Geht es denn darum nun alle auf freie Schulen zu schicken? Ich glaube eher die Freiheit wählen zu können ist entscheidenden!