Interview mit Louie Montoya, „Experience Designer“ in der Business Innovation Factory
Anmerkung: Ich habe dieses Interview auf einer Bildungskonferenz geführt, die ich dieses Jahr mit ein paar meiner Kommilitonen besucht habe. Für mich war es die erste Bildungskonferenz ausserhalb der EUDEC Konferenzen und ich war ziemlich schockiert wie wenig es eigentlich um die Schüler selbst ging und wie streng die Grenze zwischen „Bildungsexperten“ (Politikern, Schulleitern, Wissenschaftlern, Unternehmern) und „Bildungskonsumenten“ (Schüler, Studenten, und Lehrer) war. Ich habe Louie in dem Workshop der Business Innovation Factory kennengelernt, in dem es endlich nicht darum ging durch ein Mikrofon fragen an „Experten“ zu stellen, dessen Antwort man auch hätte googeln können, sondern in kleinen Gruppen von Teilnehmern, selbst Programme, Methoden, oder Materialien zu entwickeln strukturiert durch die Prinzipien von Human Centered Design. Ich habe das Interview auf englisch geführt und selbst übersetzt. An einigen Stellen wurde sprachlicher Fluss, der getreusten Übersetzung vorgezogen.
„Diese “Lassen wir lieber die Erwachsenen reden”-Mentalität sieht man selbst dann noch, wenn das Gesprächsthema schülerorientierte Bildung ist. Ziemlich absurd.“
Stella: Hallo Louie, Du bist hier auf SXSWedu, einer der bedeutendsten Bildungskonferenzen in den USA, um die Projekte an denen Du und Deine Kollegen von der Business Innovation Factory arbeiten vorzustellen und Dich mit anderen Organisationen, Lehrern, und Schülern zu vernetzten. Wie hast Du die Konferenz bist jetzt wahrgenommen?
Louie: Auf jeder Konferenz, die ich besuche, bin ich enttäuscht darüber wie wenige Schüler und Studenten daran teilnehmen. Es war wunderbar mich mit dir und anderen Studenten zu unterhalten und vieles von dem was Du erzählt hast, hat für mich gezeigt, was der eigentliche Sinn von Bildung ist: Es geht um die Schüler und Studenten. Und die Tatsache, dass wir eine Bildungskonferenz haben auf der nur ein kleiner Prozentanteil [genauer gesagt 5%] Schüler und Student anwesend sind, ist immernoch sehr frustrierend für mich. Und es lässt mich glauben, dass wir noch lange nicht bereit sind wirklich alle mit einzubeziehen. Natürlich bin ich froh darüber, dass hier wenigstens Lehrer und Leute von Bildungsministerium [“district level administrators”] in einem Kreis zusammensitzen und sich unterhalten können. Das alles zeigt mir, dass in der Bildung immer noch starke Machtgefälle existieren, aber auch, dass wie dieser durchbrechen können.
Oft reden wir von schülerorientierter Bildung und in den Bildungsministerien verstehen sie das auf einer intellektuellen Ebene, aber ich sehe selten, dass es wirklich umgesetzt wird. Diese “Lassen wir lieber die Erwachsenen reden”-Mentalität sieht man selbst dann noch, wenn das Gesprächsthema schülerorientierte Bildung ist. Ziemlich absurd.
Stella: Mit der Business Innovation Factory ist Euer Ziel, unter anderem, im Bereich der Bildung durch eben genau diese schülerorientierten Methoden neue Ideen voranzutreiben. Wie genau versucht Ihr dieses Ziel zu erreichen?
Louie: Anstelle, dass wir uns den Kopf darüber zerbrechen, was Schüler brauchen um besser lernen zu können, lassen wir sie selbst erfinderisch werden. Wir führen Schüler und Lehrer durch einen Nutzerorientierten Gestaltung-Prozess [“Human centered design process”], in dem sie ihre Bedürfnisse und Herausforderungen identifizieren und kreative Lösungen finden können. Dieses Projekt nennen wir “Student Experience Lab” [“Schueler Erlebnis Labor”] und obwohl wir vor allem mit Schulleitern und Politikern arbeiten, sind wir der festen Überzeugung, dass es unmöglich ist etwas im System zu ändern ohne den Input von Schülern, Lehrern, Eltern und allen anderen Mitgliedern von Bildungsgemeinschaften zu haben. Und mit Input meine ich nicht, dass die Schüler eine Umfrage ausfüllen dürfen und dann entscheidet jemand anderes wie viel Bedeutung er den antworten gibt. Nein, Entscheidungen die das Bildungssystem betreffen müssen gemeinsam mit Schülern getroffen werden.
„es ist wichtig, dass wir wenn auch in kleinen Schritten immer weiter in die Richtung von wirklich schülerorientierter und noch besser Schüler-getriebener Bildung gehen“
Stella: Obwohl es inzwischen viele demokratische Schulen gibt, in denen nicht nur Mitbestimmung sondern echte Gleichberechtigung ganz normal sind, ist es bis jetzt schwierig diesen Wandel auf nationaler Ebene durchzusetzen. Was glaubst Du sind die wichtigsten Dinge, die sich in der Bildungspolitik verändern müssen damit dieser Wandel stattfinden kann?
Louie: Ich glaube eines der wichtigsten Faktoren ist nicht nur das Schüler von Oben nicht ernst genommen werden, sondern auch das der Beruf des Lehrers immer mehr an Wertschätzung verliert. Dabei sind Schüler und Lehrer die eigentlichen Experten des Bildungssystems. Lehrer werden oft nur als Arbeiter gesehen, die eben ihren Job machen und gleichzeitig mit so viel Arbeit überladen, dass sie kaum Zeit haben innovative Konzepte zu entwickeln. Eigentlich müsste man Schülern und Lehrern nichts mehr geben als die Freiheit, das System selbst in die Hand zu nehmen. Doch genau da liegt oft das Problem. Denjenigen, die im Moment die Macht haben, fällt es extrem schwer sie abzugeben und Schülern von Auge zu Auge zu begegnen, obwohl das für alle besser wäre. Da hilft es Politiker zu finden, die das erkennen und mit ihnen zusammenzuarbeiten, dem Rest zu helfen sich an eine flachere Hierarchie zu gewöhnen. Ich glaube das braucht einfach Zeit, aber es ist wichtig, dass wir wenn auch in kleinen Schritten immer weiter in die Richtung von wirklich schülerorientierter und noch besser Schüler-getriebener Bildung gehen.