3 Dinge, die ich durch Freie Schulen lerne
Teil III
Selbstverwirklichung ist in unserer westlichen Welt ein wichtiges Ziel. Sich selber optimieren, seinen eigenen Weg finden, endlich anfangen, glücklich zu werden und sein eigenes Leben zu leben, stehen hoch im Kurs. Doch wo wird uns der Raum gelassen, diesen Weg zu finden?
Bildung ist von außen durchgetaktet. Die Schüler gehen bis 16 Uhr in die Schule und müssen danach noch Hausaufgaben machen. Die einzige Selbstverwirklichung besteht darin, ob ich mein Referat über Mozart oder Bach halte. So bleibt es bei einem hohen Anspruch der Selbstverwirklichung, der im Alltag eher zu Frustration führt, weil er gar nicht verfolgt werden kann. Wir verpassen zu lernen, uns intensiv mit einer entscheidenden Frage auseinanderzusetzen: Was will ich wirklich?
Tägliche Selbstverwirklichung an Freien Schulen
An der Freien Schule ist es anders. Schüler einer Freien Schule beschäftigen sich jeden Tag mit dieser Frage. Jeden Tag aufs Neue fragen sich die Schüler: Was will ich wirklich? Je nachdem, was sie wollen, tun sie das. Ohne es groß zu hinterfragen. Ohne zu sagen: „Das kann ich doch sowieso nicht.“ Es kann gar keine Frage sein, die sie verdrängen. Denn sie sind ihr jeden Tag ausgesetzt. Sie bekommen keinen festen Stundenplan mit festen Lerninhalten vorgekaut. Sie sind für sich und ihren Schulalltag selber verantwortlich. Sie müssen sich selber aussuchen, was ihnen schmeckt. Die Schüler lernen, ein Gespür, ein Bewusstsein für sich und ihre Wünsche zu entwickeln. Deshalb wissen sie auch meistens, was sie wollen und genießen es, selbstbestimmt zu lernen.
Die Schüler lernen auch, dass es dabei nicht schlimm ist, Fehler zu machen. Scheitern, Irr- und Umwege gehören zum Prozess der Beantwortung der Frage der Selbstverwirklichung dazu. Denn uns ist ja nicht sofort bewusst, was wir wirklich wollen. Es reicht nicht, nur einmal an unsere Seele zu klopfen. Der Schlüssel zur Antwort auf die Frage: „Was will ich wirklich?“ ist versteckt. Wir können ihn nur über Probieren, Suchen, Hinfallen, Aufstehen, Verwerfen, Weitermachen entdecken und irgendwann finden.
Grenzenlose Selbstverwirklichung
Vor Kurzem habe ich gedacht: “Ich will künstlerisch mehr aktiv werden. Ich will mehr malen.” Kunst in Form von Malen war mir etwas fremd. Auf der Regelschule hatte ich die abgefahrensten Ideen, doch meine gemalten Menschen sahen ganz anders aus, als sie es in Realität tun. Nur weil ich nicht fabelhaft Menschen malen kann, bin ich davon ausgegangen, dass ich nicht malen kann. Damals habe ich mir deswegen eine Grenze gesetzt. Ich habe mir nie eine Leinwand gekauft. Ich habe es nicht ausprobiert, andere Dinge zu malen. Ich habe mich zu sehr von den Bewertungen meiner Mitmenschen abhängig gemacht
Fast genauso war es mit den Naturwissenschaften. Meine Eltern sind beide Geisteswissenschaftler. So lagen uns als Kinder die Geisteswissenschaften viel näher. Ich habe also nie etwas Naturwissenschaftliches als späteres Berufsfeld in Erwägung gezogen – obwohl mir der Biologie-Unterricht eigentlich Spaß gemacht hat. Es kam einfach nicht in Frage, etwas mit Biologie zu machen. Aber wieso eigentlich nicht? Wieso schließe ich manche Dinge von Anfang an aus? Wieso grenze ich mich in meinen Möglichkeiten ein?
Was will ich wirklich?
Seitdem ich Freie Schulen kenne, will ich grenzenloser denken. Ich will dieses “wirklich” in der Frage ergründen. Was will ich – wirklich?
Genau wie die Schüler will ich mir diese Frage jeden Tag stellen. Und wenn etwas in meinem Leben nicht auf meine Antwort passt, dann will ich es reflektieren, verändern, rausstreichen. Diese Frage will ich nicht mehr ignorieren.
Will ich wirklich so viel Zeit an meinem Handy verbringen? Will ich wirklich zu diesem Geburtstag gehen? Will ich wirklich diesen Job im nächsten Jahr weitermachen? Will ich mich wirklich über die verlorenen 50€ ärgern? Will ich wirklich auf mein Kind wütend sein, weil es gerade die Wand angemalt hat? Will ich wirklich nie Zeit für meine Eltern haben? Will ich wirklich viel Geld verdienen?
Die Frage „was will ich wirklich?“ holt uns Dinge ins Bewusstsein, die wir sonst nicht sehen. Sie fokussiert uns von dem Wichtigen auf das Wesentliche – unsere Wünsche, unsere Ziele und unser Selbst.
Auch wenn es manchmal leichter ist, der Frage aus dem Weg zu gehen – lasst uns keine Angst vor den Hindernissen und den Stolpersteinen haben, die auf dem Weg auf uns zu kommen.
Ich verspreche dir: Der Weg ist schöner, leidenschaftlicher und erfüllter, wenn du dich der Frage stellst.
Also, was willst du?
Was willst du wirklich?
In Teil 2 ihrer Kolumnenreihe erzählt Tabea von der Vielseitigkeit des Lernens: Lernen ist vielseitig.
Zu Tabeas ersten Erkenntnis: Ich kann alles lernen.
4 Antworten
When I originally commented I clicked the „Notify me when new comments are added“ checkbox and now
еach time a comment is added I get several e-mails ᴡith the
same comment. Іs therе any way you can remove me from tһat service?
Mаny thanks!
Hi Demetrius, there should be an „unsubscribe“ or „Opt-out“ link or button at the end of every Email. With this you should be able to end the mailsubscription :=)
Best regards
Jonas for the SoT Team
Ich finde es gut, das es in diesem Schul-Modell nicht schlimm ist Fehler zu machen. Ich stimme zu, dass es wahrscheinlich einen Teil zur Selbstverwirklichung verträgt. Denn schließlich wird es so viel unwahrscheinlicher, dass ein Schüler sich nicht traut in ein bestimmtes Interessensgebiet vorzustoßen, da es weniger angst vor Kritik geben sollte.
Hey Neeltje, ja genauso sehen wir das auch!
Liebe Grüße
Jonas für das SoT Team